Eine tolle Wandererfahrung in der Metropolregion Hamburg, bei der man nicht nur in der Natur unterwegs ist, sondern auch noch jede Menge zu der Geschichte der deutschen Teilung erfährt, ist der Grenzparcours um den Mechower See herum, der genau an der Grenze zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein liegt.
Der Mechower See ist Bestandteil des Grünen Bandes in Deutschland und bietet sogar seltenen Vogelarten, wie dem Seeadler, ein Zuhause.
Das Grüne Band an der innerdeutschen Grenze
Das Grüne Band Deutschland ist ein Naturschutzprojekt, welches sich rund 1400 km entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze zieht. Im Norden Deutschlands startet das Grüne Band auf der Halbinsel Priwall in der Lübecker Bucht an der Ostsee und zieht sich bis ins “Dreiländereck” zwischen Bayern, Sachsen und Tschechien. Dieser Bereich blieb in der Zeit von 1952 bis zum Mauerfall 1989 von Menschenhand fast unberührt.
Zwar gab es einen sogenannten Todesstreifen direkt hinter dem Zaun, der völlig Pflanzenfrei gehalten wurde, und dahinter ein schmales Gebiet auf dem man die Vegetation steppenähnlich flach hielt, doch darauf folgte eine rund 5 km breite Sperrzone in der beispielsweise Verkehr und Industrie stark eingeschränkt waren. Dadurch wurde dieser Streifen zu einem Rückzugsort für eine bedrohte Tier- und Pflanzenwelt. Die gesamte Fläche umfasst somit fast 8000 km².
Der Mechower See – wandern an der innerdeutschen Grenze
Der Mechower See liegt in Mecklenburg-Vorpommern direkt am Verlauf der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Zu DDR Zeiten war der See nur für die Grenztruppen zugänglich, da er in der Sperrzone lag und somit stark bewacht wurde. Zwei Mal im Jahr durfte ein einziger Fischer den See befischen. Natürlich nur unter strengster Bewachung.
Widersetzten sich die Menschen, die in der Sperrzone arbeiteten wie z.B. Bauern, den Anordnungen der Soldaten, so durften sie das Gebiet nie wieder betreten. So passierte es einem Bauern, der bei der Kartoffelernte zwei Beamten des westlichen Bundesgrenzschutzes auf der anderen Seite des Zaunes zuwinkte.
Ein paar Menschen gelang auch die Flucht durch den Mechower See. Ihre Geschichten und viele weitere Informationen zur innerdeutschen Grenze und die damit verbundenen Schicksale kann man auf dem Grenzparcours “Grenzwege Schlagsdorf. Lesezeichen in der Natur zur deutschen Teilung” erfahren.
Der Grenzparcours rund um den Mechower See
Der Grenzparcours startet in der Gemeinde bzw. dem Dorf Schlagsdorf, nordöstlich von Ratzeburg. Auf einem 9 km langen Wanderweg kann man den Mechower See komplett umwandern und stößt dabei auf insgesamt 14 Stationen des Grenzparcours.
Die 14 Stationen befinden sich jeweils am nördlichen Ufer des Sees (1,5 km), sowie am südlichen Teil (2 km).
Wir starten beim Grenzhus ins Schlagsdorf und erreichen kurz darauf den Mechower See. Die Landschaft ist herbstlich und friedlich, die Äcker sind bestellt, die Vögel zwitschern. Der Gedanke ist bedrückend, dass hier die Grenze verlief. Mauern und Zäune, die Menschen und Schicksale von einander trennten. Wir blicken durch Hecken hindurch auf ein Feld. Das Foto auf einer Informationstafel der GRENZWEGE zeigt, dass hier mal ein Überwachungsturm gestanden hat, der auch vier Schießscharten besaß.
Die Soldaten hatten den Befehl ohne Rücksicht auf flüchtige Menschen zu schießen, auch auf Frauen und Kinder. Wurden Flüchtige erschossen, erhielten die Grenzsoldaten Prämien und Auszeichnungen. Vorfälle dieser Art gab es genug. So erfahren wir von Menschen, die z.B. durch Splitterminen ums Leben kamen. Diese wurden ausgelöst, wenn man nur schon die Spanndrähte am Grenzzaun berührte.
Andere Menschen, und sogar Kinder, wurden erschossen, weil sie sich ein besseres Leben auf der anderen Seite des Zaunes erhofften oder weil sie im Winter Schlittschuh liefen auf einem zugefrorenen See und dabei versehentlich die westdeutsche Grenze überquerten. Schicksale, die einem sehr nahe gehen.
Fast ein wenig erleichtert erreichen wir einen Vogelbeobachtungsturm, von dem aus man einen herrlichen Blick auf den Mechower See und das Grüne Band hat, und der uns zeitweilig aus der leicht bedrückenden Stimmung herausholt. Wenn man Glück hat, kann man hier sogar Seeadler beobachten. Denen war es aber offensichtlich an diesem Tag zu kalt.
Der Rundweg führt weiter, immer am Seeufer entlang und durch das Dorf Mechow hindurch. Immer am Flüßchen Bäk entlang geht es zurück zum Mechower See, bei dem wir wieder die Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern überqueren.
Am süd-östlichen Ufer treffen wir erneut auf Informationstafeln der GRENZWEGE Schlagsdorf. Ab jetzt herrscht das Thema Grenzöffnung und Wiedervereinigung vor. Bilder von ewig lang erscheinenden Menschenströmen die sich auf den Straßen bewegen und den Silvestermorgen 1989 nutzen, um durch die geöffnete Grenze nach Westen zu gelangen. Man sieht sie strahlen, winken, lachen und ich erinnere mich an damals, wie ich als 10-jährige vor dem Fernseher saß. Was dieser Moment für die Menschen bedeutete konnte ich damals natürlich noch nicht so erfassen.
Es ist aber glaube ich so ein Weltereignis gewesen, an das sich vermutlich die Mehrheit der Deutschen heute noch gut erinnern kann, nach dem Motto “Wo warst Du als die Mauer fiel?”. Meine Erinnerungen sind lückenhaft, da ich es als Kind nicht so mit Politik hatte. Ich weiß aber noch, dass ich schon wenig später mit meinen Großeltern unterwegs war zu der Mauer, die die Deutschen so lange von einander getrennt hatte. Mein Opa hatte einen Hammer und einen Meißel dabei.
Kurz vor der Badestelle am Mechower See, verlassen wir den Wanderweg am Ufer und überqueren ein Feld. Schon von weitem sehen wir den Außenbereich des Grenzhus mit seinen Mauerüberresten und seinem wieder errichteten Wachturm.
Mauern, Draht und Minen – Schicksale an der innerdeutschen Grenze
Nach dem Fall der Mauer wurden die Grenzanlagen nach und nach abgebaut. Um auch den nachfolgenden Generationen einen Einblick zu geben, entschloss man sich in Schlagsdorf in einer stillgelegten Kiesgrube Teile der Sperranlagen mit Originalteilen wieder aufzubauen. Das Gelände ist Bestandteil des Informationszentrums Grenzhus in Schlagsdorf.
Einen Eindruck von den verschiedenen Mitteln wie man Menschen an der Flucht hinderte, bekommen wir z.B. beim Anblick der Wassersperranlagen. Diese wurden waagerecht in Grenzgewässern ausgelegt um flüchtende Menschen zu verletzen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das mit ein bißchen Wasserströmung gewesen sein muss.
Der alte bedrohliche wirkende Wachturm aus grauem Beton dominiert das Gelände. Neben ihm Abschnitte von Stacheldrahtzäunen, Stolperdrahtsperren, die ein schnelles Überwinden des Geländes erschweren sollten und ein nachgebauter Sperrzaun mit Kontrollstreifen.
Es ist ein seltsames Gefühl gewesen an diesem Zaun zu stehen. Auch wenn es nur ein Abschnitt ist, um den man herum gehen kann, so ist das Gefühl beklemmend und nur schwer nachzuvollziehen, wie sich Menschen damals gefühlt haben und heute in anderen Teilen der Welt immer noch fühlen, die einfach auf der “falschen Seite” eines Zaunes leben (müssen).
Wie sich ein Leben in einer geteilten Stadt heute anfühlt, haben wir auf unserer Reise durch Israel und dem Westjordanland in der Stadt Hebron erfahren.
Das Grenzhus in Schlagsdorf
Das “Grenzhus Schlagsdorf. Informationszentrum innerdeutsche Grenze” zeigt in einer Dauerausstellung auf zwei Etagen die regionale Geschichte rund um die innerdeutsche Grenze. Sehr interessant zu sehen fand ich die Entwicklung des Gebietes. Zum einen erfährt der Besucher wie der einstige Todesstreifen wieder durch das europaweite Naturschutz Projekt” Grünes Band” zu neuem Leben erwacht, zum anderen geht es aber auch um Themen wie “Eingrenzung und Ausgrenzung”, die ebenfalls ein Bestandteil des Ausstellungskonzeptes sind.
Auf einer Wand lese ich Notizen, die die Menschen dort hinterlassen haben. Es geht natürlich um das Thema Grenzen. Brauchen wir sie und was bedeuten sie für uns? Fast alle Notizen der Besucher lassen uns wissen, dass es keine Grenzen geben sollte. Einige Notizen sind sogar sehr emotional geschrieben.
Doch leider fällt mir natürlich auch ein Zettel ganz am Rande des Brettes auf. “Wir brauchen Grenzen um uns vor Anderen zu schützen” steht da drauf. Welche Meinung da vertreten wird, brauch ich hier wohl nicht zu schreiben. Es ist die Meinung eines Einzelnen. Hoffentlich. Vielleicht wurde der Zettel auch bewusst hängen gelassen, kann ja jeder seine Meinung sagen. Aber es beruhigt mich dann doch, dass es nur einer ist und er auch noch ganz außen in der Ecke hängt. Zufall? Absicht? Das lässt mich irgendwie schmunzeln.
Ein Besuch im Grenzhus und seiner Außenanlage kann ich auf jeden Fall sehr empfehlen, da die Ausstellung mit viel Liebe gemacht ist.
Adresse
Grenzhus Schlagsdorf
Neubauernweg 1
19217 Schlagsdorf
Öffnungszeiten
Mo bis Fr: 10.00 bis 16.30 Uhr
Sa und So: 10.00 bis 16.30 Uhr
Eintritt
4,- € pro Person
Schüler, Studenten und Personen mit einem Behindertenausweis 3,- €
Café Grenzstein gegenwärtig nur Sa +So von 12 bis 17 Uhr geöffnet
weitere Informationen
www.grenzhus.de
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*Offenlegung: Im Auftrag von Hamburg Marketing sind die Reiseblogger Hamburg unterwegs. Die Mission: Findet in der Metropolregion Hamburg die coolsten und schönsten Ausflugsideen, Aktivitäten und Veranstaltungen an, im und rund ums Wasser. Im Gegenzug werden wir dafür bezahlt. Unsere persönliche Meinung wird durch diese Kooperation nicht beeinflußt, denn wir schreiben authentische Reiseberichte.
6 Comments
Claudia
20. März 2020 at 14:32Hey Miriam,
was für eine spannende Wanderung. Irgendwie bin ich bisher eher selten auf Überreste der innerdeutschen Grenze und der Geschichten dazu gestoßen, dabei müsste es sie viel häufiger geben. Höchstens noch im Wendland, da gab es ein paar Hinweise. Es ist wirklich ein großes Glück, dass man sich die Situation von damals heute kaum noch vorstellen kann.
In diesem Sinne, vielen Dank für mitnehmen auf diese Wanderung! Wirklich eine tolle Kombination aus unverfälschter Natur und (Outdoor-)Museum zur deutsch-deutschen Geschichte.
Viele Grüße
Claudia
Travelsanne
15. Dezember 2019 at 10:40Liebe Miriam,
das ist wirklich ein geschichtsträchtiger Spaziergang, auf den Du uns da mitnimmst. Wir waren gerade erst in Berlin auf den Spuren der deutschen Teilung unterwegs.
Viele Grüße von Sanne
Miriam
14. Dezember 2019 at 21:16Liebe Miriam,
Danke, dass du uns auf diese Wanderung in die deutsche Geschichte und in diese tolle Natur mitgenommen hast. Ich war mal an der ehemaligen Grenze an der Grenzstation Schifflersgrund und fand das schon total beeindruckend – aber gerade hier mit dem See gibt es dem einen besonderen Flair.
Barbara
14. Dezember 2019 at 13:40Hallo Miriam,
Wanderungen in historisch interessanten Regionen finde ich immer spannend. Ich habe die Zeit damals auch erlebt und kann mich gut erinnern, obwohl ich räumlich weit weg war. Seit einigen Jahren lebe ich nahe der ehemals innerdeutschen Grenze und bin auch schon auf dem grünen Band gewandert. Was die Natur sich hier zurück holt, ist ähnlich spannend wie die Geschichte und die teils tragischen Geschichten dahinter. Gut, dass das nicht vergessen wird. Zum Glück verstehen ja die meisten, dass Grenzen in diesem Jahrtausend nichts zu suchen haben…
Übrigens finde ich es super, dass Ihr um Hamburg herum Ausflugsziele vorstellt, die nicht ganz 0815 sind.
Liebe Grüße
Barbara
Ines-Bianca
13. Dezember 2019 at 12:04Liebe Miriam,
sehr sehr schön hast Du dieses Thema aufbereitet – in Wort und Bild.
Die geschichtliche Dimension ist die eine Seite. ich kann mich noch gut an das Gebell der Hunde erinnern, wenn wir in meiner Kindheit einmal zu Besuch zu den Verwandten “im Osten” fuhren. Die Grenze mit ihren Wachtürmen und strengen Kontrollen war stets ein verstörender Ort, und es ist schwer zu ertragen, wie viele traurige Schicksale sich zwischen Todesstreifen und Freiheit ereignet haben.
Aber dann schreibst Du auch darüber, was das für die Flora und Fauna vor Ort bedeutet (hat).
Ich denke, Deine Wander-Idee mit Zwischenstopp an den Stätten des Gedenkens ist der perfekte Weg, um sich diesem Thema anzunähern.
Ganz liebe Grüße!
Ines-Bianca
Kathrin
9. Dezember 2019 at 10:25Niedlich, die Galloways! Sieht nach einer sehr lohnenswerten Wanderung aus, die aber auch echt zum Nachdenken anregt. Bei Grenzen und Maschendrahtzaun bekomme ich irgendwie immer ein mulmiges Gefühl. Aber super, dass der eine Zettel einsam und alleine am Rand hängt!