David Lewien, der von 1947 bis 1964 das Land in dieser Gegend bewirtschaftete, nannte den Ort Twyfelfontein, „die zweifelhafte Quelle“ (oder auch /Ui-//Aes genannt), da die Quelle, die ihm das nötige Wasser liefern sollte, nur sehr sporadisch Wasser hervorbrachte. Daraufhin verließ er die Gegend wieder.
Heute gehört der Ort im Damaraland aufgrund seiner außergewöhnlich vielen Felsgravuren, die hauptsächlich Tiere abbilden, mit 50.000 Besuchern jährlich zu einem der meist besuchten Sehenswürdigkeiten des Landes und ist UNESCO-Weltkulturerbe.
Der Pionier der Felsbild Forschung in Namibia Ernst-Rudolf Scherz studierte die insgesamt ca. 2500 Einzelbilder genauer und kam zu dem Entschluss, dass es sich hier um die dichteste Konzentration vorgeschichtlicher Felsgravierungen in ganz Namibia handelte.
Die Felsgravuren in Twyfelfontein sind nur mit einem Guide zu besichtigen, was ich auch als unbedingt notwendig erachte, damit man nicht achtlos überall im Gelände herum poltert.
Ich möchte an dieser Stelle unbedingt darauf hinweisen, dass die Erforschung solcher Gravuren, ebenso wie die der Felsmalereien, immer mit sehr vielen Interpretationen, was die Aussage der Bilder angeht, verbunden ist. In der Wissenschaft gibt es immer viele Theorien, sowohl für die eine, als auch für die andere Aussage. Nehmt nicht alles für bare Münze, was Euch erzählt wird, sondern erlaubt Euch selber mal um die Ecke zu denken. Im Folgenden werde ich Euch einige der Felsgravuren vorstellen, sowie deren Interpretationsmöglichkeiten.
In Twyfelfontein überwiegen Darstellungen von Tieren, vereinzelt treten auch abstrakte Zeichen auf, aber sehr viel weniger als an anderen Stellen in Namibia.
Die wohl bekannteste Gravierung ist die sogenannte „Löwenplatte“ auf der neben dem bekannten Löwen zahlreiche andere Tiere wie z.B. Giraffen, Zebras, Elefanten und Strauße zu sehen sind. Der Löwe ist außergewöhnlich dargestellt, da er einen sehr langen und im rechten Winkel abgeknickten Schwanz besitzt, an dessen Ende sich, statt einer Quaste, eine Fährte befindet. Häufig werden hier die Füße des Löwen sowie die „Quaste“ als menschliche Hände interpretiert. Ein Löwe besitzt vier Zehen und nicht wie die Menschen fünf. Hier kommt die sogenannte „San-Trance-Theorie“ zum Einsatz. Sie besagt, dass die Bilder die Glaubensvorstellungen und religiösen Praktiken der San zeigen, die auch Eindrücke aus Trance- Zuständen zeigen können. So könnte es sich bei dem Löwen um einen Löwenmenschen, also einen Schamanen handeln, der sich in Trance in einen Löwen verwandelt hat. Der lange abgeknickte Schwanz könnte hier ein weiteres Körperglied darstellen, denn wenn Schamanen in Trance fallen, sollen sie häufig das Gefühl bekommen ein weiteres Körperglied zu besitzen.
Was die Datierung dieser Gravuren angeht, hört man häufig, dass sie zwischen 2000 und 6000 Jahren alt sein sollen. Felsgravuren lassen sich aber nicht so einfach datieren. Um ein ungefähres Alter der Gravuren bestimmen zu können, ist es notwendig andere archäologische Funde in unmittelbarer Nähe zu machen, die im Zusammenhang mit den Bildern stehen können. Es konnten zwar entsprechende archäologische Schichten datiert werden, die etwas weiter entfernt lagen, jedoch gibt es dort wo man die vielen Steinartefakte und die Straußeneiperlen fand keine Gravuren. In wie weit diese Funde also mit den Gravuren in Twyfelfontein im Zusammenhang stehen ist noch unklar. Deshalb ist auch eine genaue Datierung der Gravuren schwierig.
Auch gibt es die Theorie, dass Kreise mit einem Punkt drin Wasserquellen symbolisieren sollen. Es wird einem erzählt, dass eine Felsplatte mit zahlreichen dieser Symbole eine Landkarte darstellt, wo sich in der Nähe Wasserquellen befinden sollen. Zuerst erscheint es logisch in so einer trockenen Landschaft eine Karte mit Wasserquellen darauf zu erstellen. Jetzt stellt sich allerdings die Frage, wer so eine Landkarte genutzt haben soll? Sie befindet sich zum einen auf einer großen Steinplatte, ist also nicht gerade transportabel. Zum anderen haben die frühen Jäger und Sammler keine Karten angefertigt, sondern diese im Kopf gehabt und sie durch die mündliche Tradition weitergegeben. Andere meinen hier wiederum einfache Muster zu erkennen, die von Schamanen im Trance-Zustand graviert wurden. Was sie letzten Endes bedeuten ist schwer zu sagen, denn die Wissenschaft weiß es ganz einfach nicht.
Andere Felsgravuren zeigen menschliche Fußabdrücke. Hier heißt es oft, dass es sich um eine Art Bildsignatur der San handelt, die diese Gravuren erstellt haben. Dies macht auch erst einmal Sinn, kennen wir es doch auch nicht anders aus unserer Zeit und unserer Kultur. Menschen die nicht schreiben können, unterschreiben bei uns ja auch mit ihrem Fingerabdruck, oder? Und schon laufen wir Gefahr etwas aus unserer heutigen Zeit einfach auf die rund 2000 Jahre zurückliegende Vergangenheit zu übertragen. Interessant ist auch, dass diese Fußabdrücke nur hier bei den Gravuren, nicht aber bei den vielen Felsmalereien in Namibia auftreten. Bleibt die Frage, warum denn nur bei den Gravuren „signiert“ wurde und nicht bei den Malereien?
Ihr seht, es ist manchmal gar nicht so einfach in der Archäologie. Wenn ihr bei solchen Touren etwas nicht versteht, dann fragt nach. Versucht selber herauszufinden, warum man eben von gewissen Theorien ausgeht (z.B. die menschlichen Füße als Signatur ansieht). Es muss nicht grundlegend falsch sein, was die Guides in Twyfelfontein erzählen, und sie sind wirklich sehr bemüht, aber sie beten eben auch nur das herunter, was ihnen die zuständigen Ämter an (höchst wahrscheinlich veraltetem) Material liefern.
2007 ernannte die UNESCO diesen Ort, im Prinzip stellvertretend für alle anderen vorgeschichtlichen Gravierungen und Malereien im Land, zum Weltkulturerbe. Es ist der erste Ort, der in Namibia Welterbestatus erlangte, 2013 folgten Teile der Namib-Wüste.
Hinweis
Twyfelfontein ist nur im Rahmen einer Führung durch einen Guide zu besichtigen. In den Sommermonaten (also im europäischen Winter) sollte man möglichst früh oder erst am späten Nachmittag da sein, um die Mittagshitze zu vermeiden. Verwendet Sonnenschutz und zieht Euch festes Schuhwerk an (keine Ballerinas oder Flip-Flops), denn ihr müsst über felsiges Gelände klettern.
Zu erreichen ist Twyfelfontein von Korixas aus über die C39. Es sind überall ausreichend viele Schilder aufgestellt, so dass man die Abfahrt gar nicht verpassen kann.
3 Comments
7 fotografische Gründe für eine Reise nach Namibia | blickgewinkelt
13. Juni 2018 at 10:44[…] Überreste sehr früher Kulturen finden sich hier. Die Felsritzungen von Twyfelfontein sind UNESCO-Weltkulturerbe und mehrere tausende Jahre […]
7 fotografische Gründe für eine Reise nach Namibia | inkacee
23. Mai 2018 at 16:59[…] Überreste sehr früher Kulturen finden sich hier. Die Felsritzungen von Twyfelfontein sind UNESCO-Weltkulturerbe und mehrere tausende Jahre […]
Tipps für einen Namibia Roadtrip auf eigene Faust | Travelinspired
30. März 2018 at 16:24[…] Gegend noch erhalten sind. Mehr Infos und Fotos zu den Felszeichnungen findest du bei Miriam von North Star Chronicles. Ganz in der Nähe liegt auch der Petrified Forest, riesige Stämme von versteinerten Bäumen. […]