(ᴡᴇʀʙᴜɴɢ)*
Ein besonderer Lost Place befindet sich bei Geesthacht im Kreis Herzogtum Lauenburg bei Hamburg. Hier im Ortsteil Krümmel und in den benachbarten Besenhorster Sandbergen findet man zahlreiche überwucherte Ruinen in einem Naturschutzgebiet. Sie erzählen eine explosive Geschichte.
Was sind Lost Places?
Lost Places sind verlassene Orte der jüngeren Geschichte wie Industrieanlagen, Häuser, Freizeitparks, Klosteranlagen, Schwimmbäder usw. die geschichtlich und touristisch häufig noch nicht aufgearbeitet sind. Sie zu entdecken gleicht einer modernen Schatzsuche. Die Tatsache, dass diese Orte noch nicht touristisch erschlossen sind, macht ihren ganz besonderen Reiz aus. Auch fotografisch sind diese Orte etwas Besonderes und sehr gefragt.
Was ist bei Lost Places zu beachten?
Lost Places sind häufig im Privatbesitz und somit nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Manchmal jedoch wie z.B. am bundesweiten Tag des offenen Denkmals oder zu Sonderführungen können diese verlassenen Orte betreten und unter einer fachkundlichen Führung entdeckt werden.
Häufig verbergen sich diese verlassenen Orte also hinter abgesperrten Gebieten. Hier solltet ihr unbedingt die Finger davon lassen, denn zum einen begeht ihr Hausfriedensbruch, wenn ihr das Grundstück dennoch betretet, zum anderen lauern in Lost Places häufig Gefahren, da die Gebäude beispielsweise nicht gesichert sind und ihr euch verletzen könntet.
Lost Places bei Hamburg
Die Ruinen beim AKW Krümmel
Etwas surreal wirkt die Gegend auf mich als wir mit dem Kinderwagen durch den Wald fahren. Kein Mensch weit und breit, nur ein Schild, dass uns auf die Gefahren des Einsturzes hinweist. Ich frage mich kurz, ob es eine gute Entscheidung war mit Baby hierher zu kommen. Doch dann sehe ich zwei Informationstafeln und bin augenblicklich wieder etwas ruhiger. Ein Lost Place ganz nach meinem Geschmack.
Der große Wasserturm aus rotem Backstein neben uns erhebt sich majestätisch über der Elbe und dem Gelände, obwohl er nur noch ein Schatten seiner selbst zu sein scheint, denn aus ihm wachsen bereits Bäume. Neben ihm steht ein “Einmann-Bunker”.
Wir kraxeln mit dem Kinderwagen den Weg weiter durch ein Waldstück und bemerken links und rechts immer wieder Gebäudereste. Innerlich kommt sofort die Archäologin durch, die am liebsten hier alles freilegen würde. Doch man tut gut daran auf den Wegen zu bleiben, denn die Ruinen sind nicht gesichert.
Teilweise könnte die Szenerie auch irgendwo in einem Urwald spielen. Einige Trampelpfade gibt es dennoch und wir nutzen sie um uns die Ruinen näher anzuschauen.
Was war das hier und welche Geschichte verbirgt sich in diesem Wald? Kein geringerer als Alfred Nobel hatte hier seine Finger im Spiel und verwandelte die Gegend in die “Pulverkammer Deutschlands”. Doch wie kam es dazu?
Wer war Alfred Nobel?
Der schwedische Chemiker und Erfinder Alfred Nobel wurde 1833 in Schweden geboren wo er in guten Verhältnissen aufwuchs und eine erstklassige Schulbildung genoss. Immerhin sprach er mit 17 Jahren schon fünf Sprachen.
Auf einer Reise lernte er den Entdecker des Nitroglycerins, den Italiener Ascanio Sobrero, kennen. Nobel war sofort fasziniert. Sobrero hielt den Stoff aber für viel zu gefährlich um ihn in der Praxis einzusetzen.
Alfred Nobel experimentierte mit dem Nitroglycerin und entwickelte dabei die Initialzündung, bei der ein explosiver Stoff durch einen Initialsprengstoff zur Detonation gebracht wird. Dadurch wurde der Transport von Sprengstoffen um einiges sicherer, da sie nicht einfach explodieren konnten.
Allerdings kam es im Laufe der Zeit, in der Alfred Nobel mit dem Nitroglycerin experimentierte, immer wieder zu schweren Unfällen, bis die schwedische Regierung weitere Experimente in bewohnten Gebieten verbot.
Was hat Alfred Nobel erfunden?
Alfred Nobel ist der Erfinder des Dynamits, welches er sich 1867 patentieren ließ. Ob es sich damals um eine Zufallsentdeckung einiger Arbeiter handelte oder nicht, wird wohl nie geklärt werden. Auf einem Transport wurde jedenfalls eines der Transportgefäße mit Nitroglycerin undicht und es tropfte heraus. Es verband sich mit der aus Kieselgur bestehenden Oberfläche des Transportfahrzeuges und entwickelte sich zu einer breiigen Masse. Nobel optimierte das Verhältnis der Stoffe und das Dynamit war geboren.
Alfred Nobel und die Elbe
Es war die Zeit des weltweiten Diamantenfiebers und Nobel hatte somit einen guten Absatzmarkt für sein Dynamit gefunden. Durch die hohe Nachfrage konnte sich Alfred Nobel schnell ein Vermögen mit der Herstellung und dem Verkauf des Dynamits aufbauen. Insgesamt baute er weltweit mehr als 90 Dynamitfabriken.
Explosiver Lost Place: die Dynamitfabrik Krümmel an der Elbe
Heute zeugen von der ersten Dynamitfabrik der Welt nur noch einige Ruinen in der Nähe des heutigen Kernkraftwerkes Krümmel, sowie der vom Einsturz bedrohte Wasserturm. Doch damals, in der Zeit von 1866 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte das Gebiet zur sogenannten “Pulverkammer Deutschlands”. Zu Beginn arbeiteten rund 50 Mann in der Dynamitfabrik Krümmel, doch bereits 14 Jahre nach dem Tod Alfred Nobels im Jahre 1896, entwickelte sich die Fabrik zum größten Sprengstoffhersteller Europas. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges stieg die Zahl der Arbeiter und Angestellten sogar auf rund 2.750 an.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es in großen Teilen der Anlage zur Demontage, doch schon kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann auch die Sprengstoffproduktion erneut. Nach dem Zweiten Weltkrieg demontierte man die gesamten Werksanlagen und es kam zur Sprengung der Gebäude. Allerdings ließ man die Überreste einfach an Ort und Stelle liegen. Teile des Geländes wurden verkauft und so steht heute beispielsweise das AKW-Krümmel auf dem ehemaligen Gebiet der “Alfred Nobel & Co.”, der späteren Dynamit-Actien-Gesellschaft (DAG).
Geht man heute die Wege zwischen den Ruinen entlang, die längs von der Vegetation überwuchert sind, kann man sich nur schwer vorstellen, wie zu Zeiten des Zweiten Krieges hier bis zu 9.000 Arbeiter und Angestellte, darunter auch zahlreiche Kriegsgefangene, in drei Schichten rund um die Uhr geschuftet haben. Die Überreste der Gebäude, die man entlang des Weges noch sehen kann gehören zu einem Bruchteil dessen, was sich heute noch hinter Zäunen auf dem Werksgelände des Helmholtz-Zentrums Geesthacht befindet.
Der Wasserturm Geesthacht-Krümmel
Der 1916/17 erbaute und etwas über 30m hohe Turm ist das einzige was heute noch von der Nitrozellulosefabrik aus dem Wald hervorsticht. Da der Turm ungenutzt zerfällt, wachsen aus ihm mittlerweile schon ganze Bäume heraus. Seit 1997 steht der Wasserturm unter Denkmalschutz. Eine Ruinensicherung wurde im Jahr 2010 ebenfalls durchgeführt. Die Kosten teilte sich der schwedische Energiekonzern Vattenfall, dem das Gelände gehört, mit Geldern aus einem Staatsfond zur Sanierung denkmalgeschützter Gebäude. Da der Turm aber offensichtlich immer noch einsturzgefährdet ist, frage ich mich, wie lange er noch dort stehen wird und seine Geschichte erzählen kann. Gott sei Dank gibt es immer Menschen, die sich für den Erhalt solcher historischer Bauwerke einsetzen, wie z.B. der Förderkreis Industriemuseum Geesthacht e.V., der über das Jahr verteilt auch Führungen über das Gelände anbietet.
Ausflugsziel in Hamburgs Umgebung: der Lost Place in den Besenhorster Sandbergen
Genau an der Grenze zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein im Kreis Herzogtum Lauenburg liegt das heutige Naturschutzgebiet der Besenhorster Sandberge und Elbsandwiesen. Auch dieses heute so ruhige und friedliche Gebiet hatte mit der Pulverfabrik Düneberg eine explosive Vergangenheit die mit Bismarck begann, denn dieser verpachtete das Gebiet an Max Duttenhöfer, einen Industriellen und Erfinder des rauchfreien Schießpulvers, der hier, geschützt von den Sanddünen, die Fabrik baute.
Die Geschichte ähnelt der Dynamitfabrik Krümmel unter Alfred Nobel, denn auch die Pulverfabrik Düneberg hatte zu den Weltkriegen ihre Hochzeit und wurde später von den Alliierten bombardiert, eingenommen, demontiert und gesprengt.
Lost Place Pulverfabrik Düneberg – die Schönheit verlassener Orte
Das Naturschutzgebiet Besenhorster Sandberge wirkt einsam und verlassen. Zwei Betonpfeiler verraten uns, wo sich der ehemalige Eingang zur Pulverfabrik Düneberg befand. Einen Zaun oder eine Mauer gibt es heute nicht mehr, das Gelände ist frei betretbar.
Nach einer ganzen Zeit auf Waldwanderwegen tauchen plötzlich auf einer Lichtung zwei Ruinen auf. Riesige Hallen, von denen nur doch die Seitenpfeiler, sowie die Dächer vorhanden sind. Graffiti Sprayer haben die Hallen ebenfalls schon für sich entdeckt. Mauerreste am Boden und einige Stahlstreben, die aus der Decke schauen zeugen vom langsamen Verfall.
Die Natur erobert sich das Gebiet Stück für Stück zurück und so entsteht eine ganz besondere Stimmung.
In Kriegszeiten waren Pulverfabriken natürlich begehrte Angriffsziele. Damit die Gebäude aus der Luft nicht so leicht zu erkennen waren, bepflanzte man kurzer Hand ihre Dächer zur Tarnung. Wer hier einen Spaziergang durch das heutige Naturschutzgebiet und frühere Werksgelände der Pulverfabrik Düneberg unternimmt, kann allerlei historische Überreste entdecken.
Alte Laternenpfeiler stehen teilweise noch am früheren Wegesrand, andere sind bereits der Schwerkraft erlegen. Immer wieder tauchen Überreste zwischen der Vegetation auf, deren Bedeutung uns verborgen bleibt. Die alte Werkstatt sowie die gegenüberliegende Tischlerei sind die einzigen Gebäude, welche heute noch aufrecht stehen und nicht gesprengt wurden. Es wird vermutet, dass sie den Alliierten nach dem Krieg noch als Lagerhallen dienten.
Es empfiehlt sich der Wanderparkplatz am Ortsausgang Geesthacht (Am Schleusenkanal hinter der Brücke B404 Richtung Altengamme). Alternativ befindet sich noch ein kleiner Parkplatz an der Straße “Am Schleusenkanal” hinter dem Gewerbegebiet (aus Richtung Geesthacht kommend), kurz vor der Hamburg-Schleswig-Holsteinischen Grenze.
Ein Wegenetz ist im Naturschutzgebiet ausgeschildert. Eine Karte dazu kannst Du hier herunterladen.
Bei Kind am Tellerrand bekommt ihr zu dem Ruinenwald in den Besenhorster Sandbergen noch einen tollen Café-Tipp im benachbarten Altengamme.
Es folgen Affiliate Links*
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von ws-eu.amazon-adsystem.com zu laden.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von ws-eu.amazon-adsystem.com zu laden.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von ws-eu.amazon-adsystem.com zu laden.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von ws-eu.amazon-adsystem.com zu laden.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von ws-eu.amazon-adsystem.com zu laden.
(*Affiliate links: Wenn du auf das Bild klickst, wirst du auf die Seite von amazon geleitet und kannst diese Bücher kaufen. Ein Kaufvorgang wird erst gestartet, wenn du den Artikel bei amazon in deinen Einkaufswagen legst. Ich bekomme so eine kleine Provision, für dich ändert sich nichts, dein Einkauf wird nicht teurer. Du hilfst mir damit, diesen Blog zu betreiben.)
*Offenlegung: Im Auftrag von Hamburg Marketing sind die Reiseblogger Hamburg unterwegs. Die Mission: Findet in der Metropolregion Hamburg die coolsten und schönsten Ausflugsideen, Aktivitäten und Veranstaltungen an, im und rund ums Wasser. Im Gegenzug werden wir dafür bezahlt. Unsere persönliche Meinung wird durch diese Kooperation nicht beeinflußt, denn wir schreiben authentische Reiseberichte.
4 Comments
Olli
14. Mai 2023 at 10:24Das sind mal richtig tolle Bilder der alten Pulverfabrik!
Besenhorster Sandberge und Elbsandwiesen: Lost Place in den Dünen
26. April 2021 at 10:20[…] Miriam von Northstarchronicles berichtet über Alfred Nobel, die Dynamitfabrik in Krümmel und Ruinen im Wald […]
Lottchen
17. Dezember 2020 at 12:45Schöner Beitrag!
Kathrin
3. November 2019 at 14:49Ich liebe den verlassen Charme von Lost Places! Die alten Mauern hätten bestimmt eine Menge zu erzählen. Von der Pulverfabrik habe ich bisher noch nichts gehört, super Tipp!