Die Herrnhuter Brüdergemeine hat im kleinen Ort Christiansfeld, zwischen Hadersleben und Kolding an der Ostküste Jütlands, im 18. Jahrhundert eine Siedlung geschaffen, die von ihrem Straßensystem her eher an eine amerikanische Stadt erinnert, als eine eine Europäische. Die Straßen verlaufen hier nämlich schnurgerade und im rechten Winkel zueinander. Aufgrund des heute noch geschlossen erhalten gebliebenen Stadtbildes gehört Christiansfeld seit 2015 zum UNESCO Weltkulturerbe.
Geschichte der Herrnhuter Brüdergemeine in Christiansfeld
Die geplante Siedlung der Herrnhuter Brüdergemeine, die den Pietismus praktizierte, entstand 1773. Doch wie kam es dazu, dass nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges und der Reformation, die einen Wandel im Denken der Menschen verursachte, im evangelisch-lutherisch geprägten Jütland eine eher Bibeltreue Gruppe ihre eigene Siedlung errichten durfte?
Der dänische König Christian VII. traf 1768 in den Niederlanden auf die Herrnhuter Brüdergemeine, die für ihre Fähigkeiten als hervorragende Handwerker und Händler bekannt waren. 1771 erlaubte der dänische König den Herrnhutern auf seiner Domäne Tyrstrup eine Siedlung anzulegen. Tyrstrup gehörte zum Herzogtum Schleswig, welches also nicht im engeren Sinne direktes dänisches Territorium war, denn das hätte zu einem Konflikt mit der evangelisch-lutherischen Staatskirche geführt.
Aus Dankbarkeit gegenüber dem dänischen König Christian VII. nannten die neuen Siedler ihre Stadt “Christiansfeld”.
Rundgang durch die Herrnhuter Brüdergemeine Christiansfeld
Die Hauptachse von Christiansfeld wird durch eine Lindenallee (Lindegade) gebildet, von der alle anderen Straßenzüge im rechten Winkel abgehen. Ganz typisch für den Ort sind die Häuser mit ihren hellen Ziegeln. Irgendwie kommt man sich in der Zeit zurückversetzt vor, wenn man durch Christiansfeld schlendert. Aber die Stadt ist keineswegs ein Museum, sondern auch heute noch eine aktive Ortschaft, die Mehrzahl der Häuser sind bewohnt.
Geht man entlang der Lindenallee, so kommt man zum zentralen Platz der Herrnhuter Brüdergemeine mit der Kirche und dem Brunnen, dem Wahrzeichen der Stadt.
Die Kirche – Brodremenigheden Kirke
Die Kirche fand ich besonders interessant, da sie in einem völlig anderen Stil gebaut wurde, als man das von Kirchen gewohnt ist. Der kleine Kirchturm befindet sich nämlich in der Mitte des Daches. Von innen ist die Kirche weiß und total schlicht gehalten. Das hölzerne Interior wird nur durch Kerzenlicht beleuchtet.
Die Alte Apotheke – Det Gamle Apothek
Ganz besonders entzückend fand ich die Alte Apotheke von Christiansfeld, die 1783 hier gegründet wurde und zu einer der ältesten ganz Dänemarks gehörte. Bis 2010 war sie noch in Betrieb, danach wurde das Gebäude renoviert.
Heute befindet sich in ihrem Innenhof, dem ehemaligen Apothekengarten, ein hyggeliges Café, in dem man wunderbar den Nachmittag verbringen kann. Wer Lust auf ein wenig shopping hat, kann im eigenen Laden jede Menge Vintage Stücke, aber auch Tees und Aufstriche erwerben.
Köstliche Besonderheit aus Christiansfeld: der Honigkuchen
Wir lieben es ja vor Ort immer lokale Spezialitäten zu finden und natürlich auch zu kosten. Christiansfeld ist bekannt für seinen Honigkuchen der hier seit 1783 hergestellt wird. Der ist nicht wie hier zu Lande oft trocken, sondern so richtig schön saftig. Ganz besonders lecker ist es wenn er mit Schokolade überzogen und noch mit Aprikosenkonfitüre gefüllt ist. Ein wahres Gedicht sag ich Dir! Ganz besonders leckeren Honigkuchen bekommst Du in der Brødremenighedens Honningkage Bageri “Xocolatl”.
Lindegade 36
6070 Christiansfeld
So 11:00 bis 17:00 Uhr
an Feiertagen außer Weihnachten 11:00 bis 17:00 Uhr
Der “Gottesacker” der Herrnhuter Brüdergemeine in Christiansfeld
Besonders interessant fand ich den Friedhof des Ortes, den sogenannten “Gottesacker”. Nur einen kurzen Fußmarsch von der Lindenallee, der Hauptachse in Christiansfeld, entfernt, am Ende eines mit alten Bäumen gesäumten Weges erreicht man ein altes Holztor, was optisch aus irgendeinem Gruselfilm stammen könnte. Tagsüber strahlen Friedhöfe ja eine gewisse Faszination aus, aber nach Einbruch der Dunkelheit sind sie irgendwie tabu.
Unheimlich wirkende alte und große Steinkreuze, Engelsfiguren oder sonstige imposante Grabsteine sucht man hier allerdings vergeblich. Der Friedhof ist ebenso in einem Raster angelegt, wie die ganze Siedlung. Rechts und links des Hauptweges befinden sich flache rechteckige Grabsteine. Alle in einer Reihe, ähnlich eines Soldatenfriedhofes. Alle Grabsteine sind gleich. Verzierungen sucht man vergebens. Was auffällt ist ihre Ost-West Ausrichtung sowie die Tatsache, dass Frauen und Männer hier getrennt bestattet wurden. Die eine Hälfte des Friedhofes gehörte den Frauen, die andere den Männern.
Manche Steine sind schon sehr verwittert, ihre Inschriften kaum noch lesbar. Manch andere lassen einen tieferen Blick in persönliche Tragödien zu. Wir finden zwei Gräber, die den selben Nachnamen tragen. Eheleute, so denken wir. Beim Blick auf das Geburts- und Sterbedatum wird aber deutlich, dass es sich hier um zwei Kinder handelt. Das eine von ihnen wurde nur wenige Tage alt.
Christiansfeld befindet sich in Südjütland und ist ca. 50 min. mit dem Auto von der deutsch-dänischen Grenze entfernt. Von der Autobahn E45, die von der Grenze bis in den Norden Jütlands führt, liegt die Siedlung ungefähr 15 min. entfernt und ist somit also perfekt für einen kleinen Abstecher.
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