Märkte mit ihren vielen Gerüchen und Eindrücken sind eine wunderbare Art eine fremde Kultur und ein fremdes Land, gerade auch von seiner kulinarischen Seite, kennenzulernen.
„Please go, don’t stand“ raunt mich ein Sicherheitsbeamter von der Seite an, als ich eine der riesigen Hallen betrete in denen es nur so wuselt. Unrecht hat er nicht. Ein zweites paar Augen am Hinterkopf wären hier wohl angebracht, denn Rücksicht wird hier auf Besucher nicht genommen. Ich blicke zu Seite, werde angehupt und springe in eine Ecke um dem heranbrausenden motorisierten Gefährt mit Zweitaktmotor aus dem Weg zu gehen. Dieses vollführt zusammen mit den Handkarren und kleinen Gabelstaplern unter der Leitung der hier arbeitenden Menschen eine perfekt abgestimmte Choreographie sodass ich zeitweilig das Gefühl habe, aus Versehen auf einer riesigen Bühne inmitten einer Ballettaufführung gelandet zu sein. Nun bin ich diejenige die andauernd ein „sumimasen“ (Entschuldigung) murmelt.
Ich bin froh, meine festen Turnschuhe angezogen zu haben, denn der Boden ist nass und glitschig. Es ist kurz nach 9 Uhr und auf dem weltgrößten Fischmarkt, dem Tsukiji-Markt in Tokyo. Die große Thunfisch-Auktion ist längst vorbei und die Händler im inneren Teil des Marktes sind hektisch damit beschäftigt ihre frischen Waren zu verkaufen, zu verpacken, abzurechnen und aufzuräumen.
Manche Händler sind noch dabei die mannshohen gefrorenen Thunfischkörper mit elektrischen Sägen und mit bis zu 1,60m langen Messern, die fast schon an Säbel erinnern, zu zerkleinern.
Die Geschichte des Fischmarktes reicht bis in das 16. Jh. zurück. Fischer aus Osaka wurden damals nach Edo (dem heutigen Tokyo) geholt, um den Hof mit frischem Fisch zu beliefern. Was der Hof ihnen nicht abnahm, konnten sie in Nihombashi verkaufen. Dieser Markt bestand bis 1923 als er vom großen Kanton Erdbeben zerstört wurde. Der Fischmarkt zog dann 1935 an seinen heutigen Standort in Tsukiji.
In aller Frühe kommen die Thunfische und andere Meeresfrüchte beim Fischmarkt an und werden bei der großen Auktion an den meistbietenden Händler versteigert. Die allmorgendlichen Auktionen bestimmen die Preise weltweit. Das frische rosarote Fleisch des Thunfisches tritt dann in handlichen Blöcken seine Weiterreise an. Fische, Krebse, Muscheln und anderes Meeresgetier werden in weiße Styroporkisten gestapelt und mit Eis bedeckt, einige Fische schwimmen noch in ihren mit Wasser gefüllten Becken. Hier soll es bis zu 450 verschiedene Arten von Meeresfrüchten geben. In der Luft liegt der Geruch von Fisch und Meerwasser.
Es ist verdammt eng in den zahlreichen schmalen Gassen der riesigen Hallen. Ein wunderbarer Ort um sich zu verlaufen und den Menschen bei ihrer täglichen Arbeit zuzusehen. Rund 60.000 Menschen arbeiten direkt oder indirekt auf und für diesen Markt, der damit einen wichtigen Wirtschaftsfaktor bildet.
Die Männer, die hier im inneren Bereich des Marktes, der Verkaufsabteilung für Großhändler, arbeiten leisten schwere körperliche Arbeit. Große Eisblöcke werden mit einer Säge in kleinere Stücke zerteilt und auf das Förderband eines Eisschredders gelegt. Diese Maschine stammt dem Anschein nach wohl noch aus dem beginnenden Industriezeitalter und versprüht ihren ganz eigenen Charme. Langsam rutscht der Block in einen Trichter um im Inneren zerschreddert zu werden und die Kisten des wartenden Fischhändlers mit Eis zu füllen.
Draußen vor den riesigen Hallen ist es gleißend hell, die Sonne brennt bereits schon wieder vom Himmel, als wir den inneren Bereich des Marktes verlassen. Während drinnen der Betrieb langsam heruntergefahren wird, ist es auf dem äußeren Markt immer noch brechend voll. Vor den Restaurants, die den fangfrischen Fisch anbieten sind zum Teil lange Schlangen. Hier lässt es sich wunderbar frühstücken, wenn man morgens schon Sashimi (rohen Fisch) essen möchte. Ich bestelle mir lieber eine Misosuppe. Wer sein Gemüse oder Koch Zubehör kaufen möchte ist hier genau richtig. Allerdings mischen sich auch immer mehr Souvenirstände für Touristen unter die Läden, die das ursprüngliche Bild ein wenig beeinflussen.
Wer den weltgrößten Fischmarkt auf dem täglich ca. 2500 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte gehandelt werden besuchen möchte, muss früh aufstehen. Ab 9 Uhr ist der innere Markt für Besucher geöffnet. Wer die große Thunfisch-Auktion erleben möchte, der sollte allerdings spätestens um 3 Uhr morgens dort sein. Mittlerweile werden zu der Auktion nur noch 120 Besucher täglich zugelassen. Wer zuerst kommt, kommt rein, wer zu spät kommt, kann es am nächsten Morgen wieder versuchen.
Gegen 10 Uhr schrubben einige Händler bereits ihre Tische, rechnen den Umsatz des Tages ab oder machen ein Nickerchen.
Im November 2016 soll der Tsukiji-Markt nun endgültig umziehen (eigentlich sollte das schon vor Jahren passieren). Zum einen ist es wohl für die Händler besser, da sie mehr Platz haben und modernere Geräte einsetzen können, zum anderen ist es dann fraglich inwiefern Besucher noch auf den Markt kommen und z.B. bei der großen Thunfisch-Auktion zuschauen können. Wer diesen einzigartigen Markt noch erleben will, der sollte sich beeilen.
Kritische Anmerkung
Auch wenn Thunfischkörper mehrere Meter lang sein und bis zu 300 kg wiegen können (je nach Art), so war es doch auffällig, dass die überwiegende Mehrheit der Tiere die wir gesehen haben, vielleicht gerade mal 1-2 m lang waren. Ich hatte das Gefühl, dass hier auf dem Markt die Überfischung des Thunfisches sehr deutlich geworden ist. Mittlerweile gehen ja schon ¾ aller im Mittelmeer gefangenen Thunfische als Export an Japan. Die Bestände des Blauflossenthuns sind mittlerweile vorm Aussterben bedroht (Quelle Wikipedia). Der Großaugenthunfisch, der wegen seines hohen Fettanteils im Fleisch in Japan sehr beliebt ist, wird erst mit 3-4 Jahren bei einer Länge von ca. 1m geschlechtsreif. Also kann man sich gut ausrechnen, dass viele der Fische auf diesem Markt sich vielleicht noch gar nicht fortpflanzen konnten.
Nützliche Informationen
Der Markt ist täglich geöffnet. Sonntags, meistens Mittwochs sowie an sämtlichen Feiertagen geschlossen.
Anreise:
Hibiya-Linie bis Tsukiji, den Ausgang 1 nehmen oder mit der Oedo-Linie bis Tsukijishijo fahren, Ausgang A1.
Wer zur Auktion möchte, sollte sich ein Taxi nehmen, denn in der Nacht fahren keine öffentlichen Verkehrsmittel in Tokyo. Du solltest also am besten in der Nähe des Market wohnen oder Dich dort aufhalten.
Links: * (für deren Aktualität, Inhalt und Vollständigkeit übernehme ich keine Verantwortung)
Offizielle Seite des Tsukiji-Marktes
Anbieter von Touren über den Markt und in der Umgebung
Tipps:
- Auf jeden Fall festes Schuhwerk anziehen, keine Sandalen, Ballerinas oder High Heels.
- Nichts anfassen!!! Wer den Fisch berührt muss zahlen. Ein Thunfisch kann u.U. mehrere tausend Euro kosten!!!
- Im Inneren Markt herrscht großer Betrieb, nicht im Weg stehen, denn der Markt ist ursprünglich nicht für Besucher gedacht.
- In der Auktionshalle ist es kalt, denn die Fische sollen ja auch gefroren bleiben. Also lieber eine Jacke oder einen Pullover mitnehmen.
- Wer sich für die Auktion angemeldet hat (dies tut man im Fischinformationszentrum) muss bis zum Beginn dieser ca. 2 Std. warten. Ich habe gehört, dass es in dem Warteraum nichts gibt! Man kann sich wohl auf den Boden setzen aber man sollte sich überlegen mit was man sich die Zeit vertreiben möchte. Buch, extra Akku für´s Handy (damit man spielen kann) etc.
- Keine Photographie mit Blitz (es wurden wohl Leute bei der Auktion geblendet!)
Seit immer höflich, respektvoll, beachtet die Regeln und folgt den Anweisungen des Personals. Zeigt Euch von Eurer besten Seite, damit auch in Zukunft noch Besucher an dem Marktspektakel teilnehmen können.
Der Besuch des Marktes und der Auktion ist gratis.
4 Comments
Henrik
17. Juli 2018 at 11:34Hallo ihr beiden,
ich habe den Besuch des Fischmarktes als eines meiner Highlights in Tokio in Erinnerung behalten. Dem Trubel der Menschen zuzusehen hatte doch etwas spannendes, so früh am morgen aber für mich auch gleichzeitig etwas meditatives 😀
Außerdem mochte ich den frischen Fisch im Restaurant gerne, auch wenn Fisch zum “Frühstück” dann ja doch etwas ungewohnt ist 😉
Besten Gruß
Henrik von Fernweh-Koch
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Miriam
19. Juli 2018 at 14:14Hallo Henrik,
ja, für mich als Vegetarierin war die Vorstellung rohen Thunfisch schon am morgen zu essen auch etwas befremdlich. Aber Johannes ist da “schmerzbefreit und hat es den zahlreichen Japan einfach gleich getan. Ich fand den markt auch absolut faszinierend.
Lg Miriam
Wolfgang
19. September 2016 at 14:46Sehr interessant! Solche Märkte finde ich auch immer beeindruckend. Erinnert mich ein wenig an den Fischmarkt in Mumbai (bzw. Bombay) bei den Sassoon Docks. Das war auch spannend, aber die Gefühle halt auch etwas zwiespältig beim Anblick der ganzen Fische …
LG, Wolfgang
Miriam
1. Oktober 2016 at 12:45Hallo Wolfgang,
ich weiß was Du meinst. In Japan hatte ich allerdings auch Angst, dass ich auf diesem Markt noch ganz andere Tiere sehe (Schildkröten, Haie etc.), die zum Verkauf und Verzehr angeboten werden. Gott sei Dank, habe ich nichts dergleichen gesehen. Auch standen, zumindest auf den englischen Menükarten, solche Tiere nicht bei den Restaurants angeschrieben.
Lg Miriam